BGH bestätigt: Inkassokosten bei Konzerninkasso als ersatzfähiger Verzugsschaden anerkannt

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am 19. Februar 2025 in einem bedeutenden Musterfeststellungsverfahren (VIII ZR 138/23) entschieden, dass Inkassokosten auch dann einen ersatzfähigen Verzugsschaden darstellen, wenn der beauftragte Inkassodienstleister ein mit dem Gläubiger verbundenes Unternehmen ist. Diese Praxis, bekannt als „Konzerninkasso“, bleibt damit grundsätzlich zulässig – selbst wenn die Vergütungsvereinbarungen zwischen den verbundenen Unternehmen eine direkte Zahlung praktisch ausschließen.

Hintergrund und Ausgangslage

Im entschiedenen Fall hatte ein Forderungskäufer (Tochtergesellschaft eines Konzernunternehmens) offene Forderungen erworben und mit deren Einziehung eine konzernverbundene Inkassogesellschaft (ebenfalls Tochtergesellschaft des Konzernunternehmens) beauftragt. Die Inkassogesellschaft verlangte von den Schuldnern neben der Hauptforderung auch die Erstattung von Inkassokosten nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG). Der Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (vzbv) als Kläger argumentierte, dass diese Inkassokosten keinen ersatzfähigen Verzugsschaden darstellten, da sie im Konzernverbund lediglich intern verrechnet würden und dem Forderungskäufer kein realer Schaden entstehe.

Vorinstanzliche Entscheidung

Das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg hatte zunächst durch die Entscheidung 3 MK 1/21

vom 15.06.2023 dem vzbv Recht gegeben. Es argumentierte, dass ein Anspruch auf Erstattung von Rechtsverfolgungskosten voraussetze, dass der Gläubiger im Innenverhältnis tatsächlich zur Zahlung der Kosten verpflichtet sei. Da die Musterbeklagte faktisch nicht belastet werde, entstehe kein erstattungsfähiger Schaden.

Zum BGH-Urteil 

Dogmatische Grundlagen des Schadensbegriffs

Der BGH begründet seine Entscheidung primär mit einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise des Schadensbegriffs nach § 249 Abs. 1 BGB. Ein Schaden entsteht bereits durch die rechtliche Verpflichtung des Gläubigers zur Zahlung der Inkassovergütung, unabhängig davon, ob diese unmittelbar bar beglichen oder durch interne Verrechnungsmechanismen abgewickelt wird. Die Richter verweisen auf die ständige Rechtsprechung, die eine Vermögensminderung nicht an liquide Mittelabflüsse knüpft, sondern an die Begründung einer Verbindlichkeit. Selbst bei Stundung oder Abtretung „an Erfüllungs statt“ bleibt die Belastung durch die schuldrechtliche Bindung bestehen, da der Gläubiger gemäß § 241 Abs. 1 BGB zur Leistung verpflichtet ist.

Konzerninterne Strukturen als neutraler Faktor

Entscheidend ist, dass der BGH die Konzernzugehörigkeit des Inkassodienstleisters als irrelevant einstuft. Maßgeblich seien ausschließlich die beauftragten Tätigkeiten und deren marktübliche Vergütung. Das Oberlandesgericht Hamburg hatte argumentiert, die fehlende direkte Zahlungspflicht im Innenverhältnis lasse den Schaden entfallen. Der BGH verwirft diese formalistische Sichtweise als praxisfern und betont, dass die wirtschaftliche Belastung durch die Verbindlichkeit ausreicht. Die Richter stellen klar, dass Gläubiger nicht gezwungen werden dürfen, ihre Prozesskostenstrategie an steuerlichen oder bilanziellen Erwägungen auszurichten.

Erforderlichkeit der Beauftragung

Der VIII. Zivilsenat unterstreicht, dass die Einschaltung eines Inkassounternehmens bei Zahlungsverzug regelmäßig erforderlich und zweckmäßig ist. Dies gelte unabhängig davon, ob es sich um ein konzernverbundenes oder externes Unternehmen handelt. Die Beauftragung diene dem legitimen Interesse des Gläubigers, seine Forderungen effizient durchzusetzen. Ein pauschaler Ausschluss der Erstattungsfähigkeit bei Konzerninkasso würde zu einer ungerechtfertigten Benachteiligung von Gläubigern führen, die ihre Prozesskosten durch spezialisierte Tochtergesellschaften optimieren.

Abgrenzung zum Rechtsmissbrauch

Das Urteil präzisiert zugleich die Grenzen der Zulässigkeit: Die Ersatzfähigkeit entfällt nur bei konkreten Anhaltspunkten für Rechtsmissbrauch, etwa wenn die Inkassotätigkeit lediglich vorgeschoben ist oder die Vergütung deutlich über marktüblichen Sätzen liegt. Im vorliegenden Fall sah der BGH jedoch keine derartigen Indizien, da die Vergütung an das RVG angelehnt war und die Beauftragung auf einer nachvollziehbaren geschäftlichen Entscheidung beruhte.

Systematische Einordnung in die Rechtsprechung

Der BGH verankert seine Entscheidung konsequent in der bisherigen Judikatur zu vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten. Er zieht Parallelen zu Fällen, in denen Mietwagenkosten oder Sachverständigengutachten trotz späterer Schadensabwicklung als ersatzfähig anerkannt wurden. Diese Linie werde durch das Konzerninkasso nicht durchbrochen, solange die Kostenhöhe transparent und an objektiven Kriterien orientiert bleibt.

Praktische Konsequenzen für die Vertragsgestaltung

Das Urteil bestätigt die Notwendigkeit transparenter Vergütungsvereinbarungen. Gläubiger müssen dokumentieren, dass die Inkassokosten an marktübliche Standards (z.B. RVG) angepasst sind und die Beauftragung im Einzelfall begründet werden kann. Für Schuldner bedeutet dies, dass pauschale Einwendungen gegen das Konzerninkasso nicht mehr ausreichen; sie müssen konkrete Unangemessenheiten der Kosten oder Fehler im Forderungsmanagement nachweisen.

Fazit zur rechtlichen Tragweite

Mit dieser Entscheidung stärkt der BGH die Einheitlichkeit des Schadensrechts und passt es an moderne Geschäftsmodelle an. Die Abkehr von formalistischen hin zu wirtschaftlichen Bewertungskriterien unterstreicht die Flexibilität des Zivilrechts, ohne dabei rechtsmissbräuchliche Praktiken zu legitimieren.