Das jüngst veröffentlichte Risk Dashboard der European Banking Authority (EBA) für das zweite Quartal 2025 liefert eine tiefgehende und für den deutschen Finanzmarkt hochrelevante Analyse. Während der Bericht die robuste Kapitalausstattung der deutschen Institute grundsätzlich bestätigt, offenbart eine Detailanalyse der Daten zur Kreditqualität eine besorgniserregende Tendenz: Deutschland koppelt sich zunehmend von der stabilisierenden Entwicklung im europäischen Gesamtbild ab. Während die durchschnittliche NPL-Quote im EU-Raum bei 1,8 % stabil bis leicht rückläufig ist, weist sie in Deutschland mit einem Anstieg auf 1,5 % einen gegenläufigen Trend auf. Diese Divergenz ist ein klares Indiz für spezifische, nationale Belastungsfaktoren und wird durch die Analyse der absoluten NPL-Volumina eindrücklich untermauert.
Die Dimension des Anstiegs: NPL-Volumen wächst um 5 Milliarden Euro
Abseits der prozentualen Kennzahlen verdeutlicht die Entwicklung der absoluten Volumina die zunehmende materielle Relevanz notleidender Kredite. Die aggregierten Bilanzen der im EBA-Sample erfassten deutschen Banken weisen einen Anstieg des gesamten NPL-Volumens von 41,2 Mrd. EUR im Juni 2024 auf 46,2 Mrd. EUR im Juni 2025 aus.
Dieser Zuwachs von 5,0 Mrd. EUR (+12,1 %) innerhalb von zwölf Monaten signalisiert eine signifikante Verschlechterung in Teilen der Kreditportfolios. Der Trend hat sich dabei im Jahresverlauf beschleunigt, was auf eine zunehmende Realisierung von Kreditrisiken hindeutet. Ein solcher Anstieg erfordert eine präzise Identifikation der Ursachen, um frühzeitig strategische Maßnahmen zur Risikobegrenzung und Bilanzbereinigung einleiten zu können.
Sektorale Analyse: Stabile Privatkunden gegenüber steigenden Risiken im Unternehmensgeschäft
Eine differenzierte Betrachtung der Kreditportfolios ist unerlässlich und zeigt, dass die Risiken sehr ungleich verteilt sind. Die aktuelle Entwicklung ist kein flächendeckendes, sondern ein stark konzentriertes Phänomen.
- Stabilitätsanker private Haushalte: Das Kreditportfolio der privaten Haushalte erweist sich als äußerst robust und widerstandsfähig. Das NPL-Volumen in diesem Segment verbleibt mit 9,2 Mrd. EUR auf einem stabilen Niveau und trägt nicht zur negativen Gesamtdynamik bei. Diese Stabilität ist eine wichtige Stütze für den Sektor, lenkt den Fokus aber umso stärker auf die wachsenden Problemfelder im gewerblichen Bereich.
- Unternehmenssektor als Epizentrum der Risiken: Der Anstieg der notleidenden Kredite wird nahezu ausschließlich vom Unternehmenssektor getragen. Hier wuchs das NPL-Volumen im selben Zeitraum von 29,4 Mrd. EUR auf 33,0 Mrd. EUR. Dies bestätigt, dass die aktuellen makroökonomischen und strukturellen Herausforderungen vor allem die gewerblichen Kreditnehmer treffen.
Im Fokus: Gewerbeimmobilien als primärer Treiber
Innerhalb des Unternehmenssektors erweist sich das Segment der Gewerbeimmobilien (CRE) erneut als der zentrale Treiber der negativen Entwicklung. Das Volumen notleidender Engagements stieg hier im Jahresvergleich um 2,3 Mrd. EUR von 15,3 Mrd. EUR auf 17,6 Mrd. EUR. Damit ist der CRE-Sektor allein für fast die Hälfte des gesamten NPL-Anstiegs in Deutschland verantwortlich. Die branchenspezifische NPL-Quote von 6,2 % liegt weit über dem Durchschnitt und verdeutlicht die tiefgreifenden und fortschreitenden strukturellen Anpassungen, die der Markt infolge von Zinsentwicklung, veränderten Arbeitsmodellen und Neubewertungen durchläuft.
Strategische Implikationen für den deutschen Finanzstandort
Der signifikante Anstieg der NPL-Volumina hat direkte und weitreichende Konsequenzen für die Kreditinstitute und den Finanzstandort insgesamt. Er bindet zunehmend Eigenkapital, welches somit nicht für die dringend benötigte Kreditvergabe an prosperierende Sektoren und die Finanzierung der wirtschaftlichen Transformation zur Verfügung steht. Gleichzeitig führen höhere Bestände an notleidenden Krediten zu einem Anstieg der Risikokosten und belasten die Profitabilität der Banken in einem ohnehin anspruchsvollen Marktumfeld.
Aus Sicht der Bundesvereinigung Kreditankauf und Servicing (BKS) ist es daher unerlässlich, dass Banken jetzt proaktiv und strategisch handeln. Ein liquider und effizienter Sekundärmarkt ist der entscheidende Schlüssel zur Bewältigung dieser Herausforderung. Die Expertise spezialisierter Kreditdienstleister ermöglicht es, NPL-Portfolios professionell zu bewerten, zu managen und abzuwickeln. Dies entlastet nicht nur die Bilanzen der Institute von Risiken und administrativem Aufwand, sondern setzt auch interne Ressourcen frei, die für das Kerngeschäft und die aktive Gestaltung der Zukunft benötigt werden. Die aktuellen EBA-Daten sind ein klarer Appell, die etablierten Instrumente des NPL-Marktes strategisch zu nutzen, um die Widerstandsfähigkeit des deutschen Finanzstandorts nachhaltig zu sichern.
Zur Pressemitteilung der EBA: https://www.eba.europa.eu/publications-and-media/press-releases/q2-2025-supervisory-data-indicate-improvements-roe-despite-continued-tightening-net-interest-margins