Das NPL-Barometer: Entstehung, Methodik und Bedeutung
Das NPL-Barometer ist eine Kennzahl für die Entwicklung des deutschen Marktes für notleidende Kredite (Non-Performing Loans, NPLs). Es wird seit 2015 ein- bis zweimal jährlich von der Bundesvereinigung Kreditankauf und Servicing (BKS) in Kooperation mit der Frankfurt School of Finance & Management erhoben. Ziel ist es, Aufschluss darüber zu geben, ob der NPL-Markt rückläufig, stabil oder wachsend ist.
Die Idee für das NPL-Barometer entstand in der BKS vor dem Hintergrund mehr Transparenz über die Entwicklung des NPL-Marktes zu schaffen. Seitdem hat es sich als wichtiger Indikator etabliert, der von Banken, Investoren, Servicern und der Fachöffentlichkeit beachtet wird.
Das NPL-Barometer liefert wertvolle Erkenntnisse für alle Akteure des NPL-Marktes:
- Banken erhalten Hinweise auf die Entwicklung ihrer Kreditrisiken und können ihre Risikovorsorge entsprechend anpassen.
- Investoren nutzen das Barometer als Indikator für Marktchancen und zur Bewertung von Portfolios.
- Servicer können ihre Kapazitäten und Strategien auf die erwartete Marktentwicklung ausrichten.
- Politik und Aufsicht gewinnen ein besseres Verständnis für die Stabilität des Finanzsystems.
Insgesamt trägt das NPL-Barometer dazu bei, die Transparenz und Professionalität im Markt für notleidende Kredite zu erhöhen. Es beleuchtet die Auswirkungen des gesamtwirtschaftlichen Umfelds auf die Finanzbranche und sensibilisiert für potenzielle Risiken. Damit leistet es einen wichtigen Beitrag für ein stabiles Finanzsystem und eine verantwortungsvolle Kreditvergabe. Vor dem Hintergrund der aktuellen Herausforderungen bleibt das NPL-Barometer auch in Zukunft ein unverzichtbares Instrument, um frühzeitig Markttrends zu erkennen und angemessen darauf zu reagieren.
Ergebnisse
NPL-Barometer Frühjahr 2025
Das NPL-Barometer Frühjahr 2025 markiert ein bedeutsames Jubiläum: Seit zehn Jahren analysiert die Bundesvereinigung Kreditankauf und Servicing e.V. gemeinsam mit der Frankfurt School of Finance & Management kontinuierlich die Entwicklung des deutschen Marktes für notleidende Kredite. Die aktuelle Erhebung zeigt eine leichte Abschwächung der Marktdynamik mit einem Rückgang des Klimawerts von 0,45 im Sommer 2024 auf 0,31 im Frühjahr 2025. Trotz dieser moderaten Konsolidierung bewegt sich der Markt weiterhin auf historisch hohem Niveau, was die anhaltende Relevanz des NPL-Segments für die deutsche Kreditwirtschaft unterstreicht.
Die Detailanalyse offenbart deutliche Unterschiede zwischen den verschiedenen Assetklassen. Während sich Wohnimmobilienfinanzierungen mit einer NPL-Quote von lediglich 0,9 Prozent als relativ krisenfest erweisen, senden gewerbliche Immobilienkredite die stärksten Stresssignale. In diesem Segment berichten 64 Prozent der befragten Institute von wachsenden NPL-Beständen, und die Hälfte erwartet eine weitere Verschlechterung. Besonders bemerkenswert ist die Entwicklung bei unbesicherten Konsumentenkrediten, wo 67 Prozent der Befragten für das kommende Jahr mit einer Zunahme rechnen. Auch das KMU-Segment zeigt mit einer erwarteten NPL-Quote zwischen 4 und 6 Prozent bis Ende 2025 deutliche Belastungsanzeichen.
Das Ende 2023 in Kraft getretene Kreditzweitmarktgesetz prägt den Markt nachhaltig. Deutschland hat gemeinsam mit Griechenland eine Vorreiterrolle bei der Umsetzung der entsprechenden EU-Richtlinie eingenommen. Die neuen regulatorischen Anforderungen führen zu höheren Markteintrittsbarrieren und einem signifikanten administrativen Mehraufwand, was besonders kleinere Marktteilnehmer vor Herausforderungen stellt. Gleichzeitig eröffnet die Einführung des europäischen Passes für Kreditdienstleister neue grenzüberschreitende Geschäftsmöglichkeiten. Ende Januar 2025 waren bereits 27 Unternehmen als zugelassene Kreditdienstleistungsinstitute registriert.
Der Ausblick auf die kommenden Jahre zeigt ein weiteres Wachstum des NPL-Volumens. Nach dem deutlichen Anstieg von 38,0 Milliarden Euro im Jahr 2023 auf 46,6 Milliarden Euro im Jahr 2024 rechnet die Mehrheit der Befragten mit einem Volumen zwischen 40 und 50 Milliarden Euro bis Ende 2025. Für 2026 erwarten 38 Prozent der Experten sogar ein Wachstum auf 50 bis 60 Milliarden Euro. Die erwartete Stabilisierung der Portfoliopreise nach dem Rückgang der vergangenen Jahre könnte die Attraktivität von Transaktionen für alle Marktteilnehmer erhöhen und zu einer Belebung des Sekundärmarktes führen.
Die Marktakteure stehen vor der Herausforderung, ihre Strategien an die veränderten Rahmenbedingungen anzupassen. Erfolgreiche Institute verfolgen bereits heute einen integrierten Ansatz, der traditionelles Workout-Management mit digitalen Lösungen und strategischer Portfoliooptimierung durch selektive Verkäufe kombiniert. Für spezialisierte Investoren bietet das aktuelle Marktumfeld mit steigenden NPL-Beständen bei gleichzeitig erhöhtem Kostendruck im Bankensektor attraktive Opportunitäten. Die kommenden Jahre werden zeigen, wie sich der deutsche NPL-Markt unter den neuen regulatorischen Bedingungen weiterentwickelt und welche innovativen Geschäftsmodelle sich durchsetzen werden.
NPL-Barometer Sommer 2024
Das NPL-Barometer für den Sommer 2024 zeigt, dass das Gesamtklima im deutschen NPL-Markt mit einem Wert von 0,45 weiterhin auf einem hohen Niveau liegt. Dieser Wert deutet auf einen aktiven Markt mit steigenden NPL-Beständen, sinkenden Preisen und einer Zunahme von Portfolioverkäufen und Auslagerungen hin. Im Vergleich zur Herbstumfrage 2023, bei der ein Rekordwert von 0,46 erreicht wurde, ist das Gesamtklima leicht um 0,01 Punkte gesunken. Dennoch bleiben sowohl der Lage- als auch der Erwartungswert mit jeweils 0,45 auf einem hohen Niveau.
Die Umfrageergebnisse zeigen, dass die NPL-Bestände in den Bankbilanzen weiter zunehmen. Für die vergangenen 12 Monate wurde ein Lagewert von 0,41 ermittelt, was bedeutet, dass eine Mehrheit der Befragten steigende Bestände beobachtet hat. Für die kommenden 12 Monate liegt der Erwartungswert mit 0,48 sogar noch höher, die Banken rechnen also mit einem anhaltenden moderaten Anstieg der NPL-Volumina. Besonders im Gewerbeimmobiliensektor (CRE) und bei KMU-Krediten werden steigende Bestände erwartet.
Laut den Befragten sind auch die Verkaufspreise für NPL-Portfolios weiter gesunken. Der Lagewert liegt bei 0,46 und der Erwartungswert sogar bei 0,63, was auf anhaltend sinkende Preise in der Zukunft hindeutet. Gründe dafür sind der regulatorische Druck auf Banken, ihre NPL-Bestände abzubauen, sowie gestiegene Risikoabschläge aufgrund der unsicheren wirtschaftlichen Lage.
Die Zahl der Portfolioverkäufe und Auslagerungen von NPLs hat in den letzten 12 Monaten leicht zugenommen. Der Lagewert liegt bei 0,12, was auf eine moderate Steigerung der Transaktionsaktivitäten hindeutet. Für die kommenden 12 Monate erwarten die Banken eine weitere Zunahme, wie der Erwartungswert von 0,35 zeigt. Allerdings könnte das neue Kreditzweitmarktgesetz (KrZwMG) zunächst zu einer gewissen Zurückhaltung führen, bis sich die Marktteilnehmer auf die neuen Rahmenbedingungen eingestellt haben.
Das Gesamtvolumen der notleidenden Kredite in deutschen Banken wird laut den Befragten bis Ende 2024 auf rund 40,2 Mrd. Euro ansteigen. Für Ende 2025 wird ein weiterer Anstieg auf 41,0 Mrd. Euro prognostiziert. Bei den NPL-Quoten zeigt sich ein differenziertes Bild: Die höchsten Anstiege werden im Bereich der gewerblichen Immobilienkredite (CRE) und der Kredite an kleine und mittlere Unternehmen (KMU) erwartet.
Methodik
Das NPL-Barometer orientiert sich methodisch am renommierten ifo-Geschäftsklimaindex. Dabei werden Experten aus dem NPL-Markt, in erster Linie das Risikomanagement der Banken, nach ihrer Einschätzung der aktuellen Lage und ihren Erwartungen für die nächsten 12 Monate befragt.
Aus den Antworten werden Salden gebildet und zu einem Gesamtindikator verdichtet. Die Indexwerte liegen zwischen -1 (rückläufiger Markt) und +1 (wachsender Markt). Konkret kann bei den Fragen mit „ist gestiegen“ (-1), „ist gleichgeblieben“ (0) und „ist gefallen“ (+1) geantwortet werden. Die prozentualen Ergebnisse werden dann saldiert.
Antworten beispielsweise 40%, dass die Preise steigen, 30%, dass sie gleichbleiben und 30%, dass sie sinken, so ergibt sich ein Gesamtwert von (-0,40) + (0,30) + (1*0,30) = -0,10. Die Salden werden anschließend für jede Frage ermittelt und können leicht miteinander und über die Zeit verglichen werden.
Dieses Vorgehen hat sich beim ifo-Index seit Jahrzehnten bewährt und ermöglicht eine zuverlässige Einschätzung der Marktentwicklung. Die Ergebnisse werden differenziert nach Assetklassen wie Immobilienkredite und Unternehmenskredite ausgewiesen.
Ab der Herbsterhebung 2023 gab es eine Neuerung bei der Berechnung der Indexwerte. In der Vergangenheit wurden Antworten mit „nicht betroffen“ mit (0) codiert – analog zu „weiß nicht“ oder „ist gleichgeblieben“. Da bei einigen Assetklassen ein signifikanter Anteil der Teilnehmenden „nicht betroffen“ auswählt, konnten dadurch in der Vergangenheit die Antworten der tatsächlich Betroffenen stark verwässert werden.
Ab Herbst 2023 werden diese Antworten daher aus der Grundmenge extrahiert. Dadurch ergeben sich insgesamt höhere Werte, die aber ein realistischeres Bild des NPL-Markts zeichnen. Nach der alten Berechnungsmethode hätten sich für den Lagewert 0,25, den Erwartungswert 0,34 und das Gesamtklima 0,29 ergeben. Mit der neuen Methodik liegen die Werte bei 0,38, 0,54 und 0,46.
Die Teilnehmenden aus den Risikoabteilungen der Banken setzen sich überwiegend aus Privatbanken zusammen, gefolgt von Pfandbriefbanken, Sparkassen, genossenschaftlichen Banken und Landesbanken. Die Position innerhalb des Instituts ist mehrheitlich im Abteilungs- und Geschäftsbereichsleiter gefolgt von sonstigen Fachpositionen und der Vorstands- sowie Geschäftsführerebene. Damit ist eine repräsentative Abdeckung der deutschen Bankenlandschaft gewährleistet.