Zwischen Regulierung und Marktchancen: Das Kreditzweitmarktgesetz aus Sicht der Verkäufer

Mit dem Inkrafttreten des Kreditzweitmarktgesetzes (KrZwMG) am 30. Dezember 2023 hat sich das regulatorische Umfeld für den Verkauf notleidender Kredite (Non-Performing Loans, NPLs) in Deutschland signifikant verändert. Die Umsetzung des KrZwMG stellt Banken beim Verkauf notleidender Kredite vor neue Herausforderungen und Chancen. Im Rahmen von Interviews mit führenden Kreditinstituten wurden zentrale Erfahrungen, Einschätzungen und Erwartungen aus Verkäufersicht zum neuen regulatorischen Rahmen beleuchtet. Die folgenden Ausführungen greifen diese Einblicke auf und zeigen, wie sich das KrZwMG in der Praxis auf Prozesse, Marktverhalten und strategische Entscheidungen auswirkt.

Mit Blick auf das erklärte Ziel des KrZwMG, den Handel mit notleidenden Krediten effizienter, transparenter und wettbewerbsfähiger zu gestalten, um langfristig die NPL-Bestände in den Bankbilanzen zu reduzieren und einen funktionierenden Sekundärmarkt zu fördern, bedeutet es für Kreditinstitute als Verkäufer eine neue Komplexität im Tagesgeschäft, die über die bisherigen Prozesse hinausgeht.

Die neuen Melde-, Informations- und Verhaltenspflichten für Verkäufer und Käufer sowie die Regulierung der Kreditdienstleister sollen das Marktumfeld professionalisieren und Investoren mehr Sicherheit bieten. Gleich nach dem Inkrafttreten des KrZwMG war jedoch zu beobachten, dass der administrative und regulatorische Aufwand für Banken und andere Marktteilnehmer gestiegen ist. Dies führte zunächst zu Zurückhaltung und Verzögerungen bei Transaktionen, da sich viele Akteure erst an die neuen Prozesse und Pflichten anpassen müssen. Die Einführung halbjährlicher Meldepflichten und die Entwicklung neuer technischer Einreichungsverfahren durch die Bundesbank sind zusätzliche Faktoren, die den Markt aktuell noch bremsen können.

Laut des Gesetzestextes ist ein Kreditinstitut verpflichtet, dem potenziellen Kreditkäufer vor Abschluss einer Vereinbarung über den Erwerb eines notleidenden Kreditvertrags oder entsprechender Forderungen sämtliche Auskünfte über den notleidenden Kreditvertrag, die Forderungen und etwaige Sicherheiten zur Verfügung zu stellen. Diese Informationsbereitstellung dient dazu, dem potenziellen Kreditkäufer eine eigenständige Bewertung des Vertragswerts sowie der Realisierbarkeit des Werts vor Vertragsschluss zu ermöglichen. Der potenzielle Kreditkäufer hat den Schutz der vom Kreditinstitut zur Verfügung gestellten Informationen und die vertrauliche Behandlung der Geschäftsdaten sicherzustellen. Diese Informationen sind nach Maßgabe der erlassenen technischen Durchführungsstandards zu übermitteln.

Die Anpassung an die neuen Vorgaben erforderte zunächst eine umfassende Integration standardisierter Datenvorlagen in die IT-Systeme und Abläufe der Banken, oft (gesondert für die potenziellen Käufer und die Behörden) doppelt geführt. Dies führt zu erheblichen Investitionen in die IT-Infrastruktur und erfordert die enge Abstimmung zwischen Fachabteilungen und IT, um die vollständige und korrekte Abbildung aller relevanten Zahlungsdaten – teils rückwirkend über drei Jahre – sicherzustellen. Der administrative und personelle Mehraufwand seitens der Kreditinstitute als Verkäufer ist spürbar gestiegen, insbesondere im Hinblick auf die neuen Melde- und Informationspflichten gegenüber Käufern, BaFin und Bundesbank.

Im operativen Geschäft zeigt sich, dass die Wahl zwischen interner Bearbeitung von NPLs und dem Outsourcing zunehmend von regulatorischen und wirtschaftlichen Erwägungen geprägt ist. Viele Institute bevorzugen weiterhin das interne Servicing, um die Kontrolle über sensible Prozesse zu behalten und zusätzliche Schnittstellen zu vermeiden. Die Pflicht, bei bestimmten Kreditkäufern einen lizenzierten Kreditdienstleister einzuschalten, erhöht jedoch die Komplexität und führt mitunter zu einer Reduktion der Zahl potenzieller Käufer, da nicht alle Marktteilnehmer die neuen Anforderungen erfüllen können. Dies schlägt sich auch in der Preisgestaltung nieder: Die Verhandlungsposition der Verkäufer hat sich verschlechtert, da die Käuferseite konsolidiert und die regulatorischen Hürden gestiegen sind. In der Folge kommt es häufiger zu niedrigeren Verkaufspreisen, insbesondere wenn Co-Investoren oder interne Abwicklungsplattformen bevorzugt werden. Außerdem werden beim Verkauf von NPLs die etablierten Investoren von Banken bevorzugt, weil diese nicht nur über die notwendige Erfahrung und Abwicklungsstärke verfügen, sondern auch Diskretion und Verlässlichkeit bieten. Die großen Investoren verfügen über spezialisierte Teams und effiziente Prozesse, was eine schnelle und reibungslose Abwicklung auch komplexer Transaktionen ermöglicht. Sie bringen umfassende Erfahrung in der Bewertung, Strukturierung und Abwicklung notleidender Kreditportfolios mit und können auch in schwierigen Marktphasen tragfähige Lösungen finden, was für Verkäufer Planungssicherheit und Risikominimierung bedeutet. Zudem verfügen diese Investoren über erhebliche Kapitalressourcen und Zugang zu internationalen Märkten, was ihnen erlaubt, auch große Portfolios zu attraktiven Preisen zu übernehmen und die Transaktionssicherheit für Verkäufer zu erhöhen. Nicht unerheblich ist ebenso die Sorge vieler Banken vor einem Reputationsverlust oder einer negativen öffentlichen Wahrnehmung, wenn problematische Kreditportfolios an weniger bekannte oder neue Unternehmen verkauft werden. Die Zusammenarbeit mit den bewährten NPL-Käufern reduziert das Risiko negativer Schlagzeilen und schützt die Bank vor Imageschäden und kritischer Bewertung durch Medien, Kunden und Aufsichtsbehörden.

Diese Faktoren führen dazu, dass Verkäufer mit den bewährten NPL-Käufern in der Regel höhere Ertragschancen, geringeren Koordinationsaufwand und eine größere Transaktionssicherheit verbinden.

Die erhoffte Bilanzentlastung durch den NPL-Verkauf bleibt aus Verkäufersicht bislang hinter den Erwartungen zurück. Zwar wurden die Prozesse transparenter und die Anforderungen klarer definiert, doch der bürokratische Mehraufwand und die verlängerten Due-Diligence-Phasen wirken sich hemmend auf das Transaktionsvolumen aus. Die Einführung des „Europäischen Passes“ für Kreditdienstleister eröffnet zwar neue strategische Optionen für grenzüberschreitende Aktivitäten, doch die praktische Umsetzung gestaltet sich aufgrund länderspezifischer Besonderheiten weiterhin herausfordernd.

In der Kommunikation mit den Aufsichtsbehörden erleben Banken eine Mischung aus Erleichterung und zusätzlicher Belastung. Die klareren Vorgaben sorgen einerseits für mehr Rechtssicherheit, andererseits führen häufige Nachfragen und enge Fristen zu zusätzlichem Aufwand im Reporting und in der Dokumentation. Best Practices aus anderen EU-Ländern, etwa eine frühzeitige Einbindung der IT und ein enger, regelmäßiger Austausch mit den Behörden, können helfen, die Herausforderungen zu meistern.

Aus Verkäufersicht bleibt festzuhalten: Das KrZwMG hat den Markt für notleidende Kredite transparenter und regulierter gemacht, doch die erhoffte Erleichterung und Förderung des Zweitmarkts ist bislang nicht in vollem Umfang eingetreten. Vielmehr sehen sich Kreditinstitute mit zusätzlichen Hürden und einem gestiegenen Aufwand konfrontiert, der die angestrebte Bilanzentlastung und Marktliquidität bislang nur eingeschränkt fördert. Die weitere Entwicklung wird davon abhängen, wie flexibel und praxisnah die regulatorischen Vorgaben in der Zukunft angepasst und umgesetzt werden. Bislang liegen keine belastbaren Zahlen oder offiziellen Statistiken aus den Meldepflichten vor, die eine signifikante Veränderung der Volumina beim Verkauf von NPLs seit Inkrafttreten des KrZwMG belegen. Langfristig erwarten Experten und Gesetzgeber jedoch, dass das Transaktionsvolumen im NPL-Markt steigen wird, sobald sich die Marktteilnehmer auf die neuen Rahmenbedingungen eingestellt haben und die regulatorische Sicherheit zu mehr Aktivitäten und Marktliquidität führt.