NPL-Barometer – signifikant steigende Kreditausfälle bis 2023 erwartet

Risikomanager:innen erwarten steigende Kreditausfälle insbesondere bei Konsumenten und KMU

Berlin, 17. August 2022 – Mit der hohen Inflation und den drastisch gestiegenen Energiepreisen stehen Unternehmen und private Haushalte vor großen Belastungen. Dazu kommen Lieferkettenprobleme, steigende Zinsen sowie geopolitische Spannungen. Die Risikomanager:innen der Banken erwarten daher einen relevanten Anstieg notleidender Kredite, besonders bei Konsumenten und KMU. „Die Marktteilnehmer gehen zwar von einem spürbaren, aber nicht außerordentlichen Anstieg aus“, sagt Christoph Schalast, Professor an der Frankfurt School of Finance & Management. „Vieles spricht aber dafür, dass die Kurve sehr viel steiler nach oben gehen wird.“


Risikomanager:innen in den deutschen Kreditinstituten erwarten einen deutlichen Anstieg von Non-performing Loans (NPLs) für 2023. Während für das laufende Jahr im Durchschnitt ein NPL-Volumen von knapp 32 Milliarden Euro prognostiziert wird, könnte es 2023 auf 37,6 Milliarden Euro steigen. Das ist das Ergebnis der Sommererhebung des NPL-Barometers, das von der Bundesvereinigung Kreditankauf und Servicing (BKS) sowie der Frankfurt School of Finance & Management herausgegeben wird.

Im Einzelnen erwarten 55 Prozent der befragten Risikomanager:innen eine „signifikante“ Steigerung von NPLs in deutschen Kreditinstituten im nächsten Jahr. 23 Prozent rechnen damit erst 2024 und acht Prozent noch später. Nur 13 Prozent sehen keine signifikante Zunahme in den kommenden Jahren.

Die Risikomanager:innen gehen daher für die nächsten Monate von verstärkten Aktivitäten im deutschen NPL-Markt aus. Das spiegelt sich im Erwartungswert des NPL-Barometers: Er ist von 0,19 im Jahr 2021 auf nun 0,26 gestiegen. Der höchste Erwartungswert war 2020 nach dem Ausbruch der Coronavirus-Pandemie mit 0,42 gemessen worden, er sank dann aber in Folge der effektiven Hilfsprogramme der Regierungen und Zentralbanken wieder ab.

„Die während der Coronapandemie erwarteten, aber ausgebliebenen Kreditausfälle machen einen realistischen Ausblick in die Zukunft schwierig“, sagt Janine Hardi, NPL-Expertin, Rechtsanwältin und BKS-Beirätin. „Dennoch sprechen viele Faktoren dafür, dass das Risiko steigt, dass nunmehr Bewegung auf den NPL-Markt kommen wird.“

Diese Ansicht begründen die Risikomanager:innen vor allem mit der wachsenden Inflation und den steigenden Energiekosten. Im Juli lag die Verbraucherpreisinflation in Deutschland bei 7,5 Prozent, Energieprodukte verteuerten sich auf Jahressicht um rund 36 Prozent. Kostendruck spüren auch die Unternehmen: Die Steigerungsraten bei Import- und Erzeugerpreisen lagen im Juli bei 30 Prozent. Ebenfalls schwer wiegen laut Risikomanager:innen anhaltende Lieferkettenprobleme sowie geopolitische Risiken, Kriege und Sanktionen. Weniger oft genannt werden inzwischen die Corona-Folgen.

Während sich die Erwartungen eintrüben, hat sich der Wert für die Lageeinschätzung gegenüber dem Vorjahr etwas verbessert: In den vergangenen zwölf Monaten konnten die NPL-Bestände abgebaut werden und die Transaktionsaktivitäten stagnierten. Dies zeigt sich auch in den einzelnen Assetklassen. Bei den Konsumentenkrediten beobachteten 52 Prozent der Befragten konstante und 14 Prozent sinkende NPL-Bestände. Im wohnwirtschaftlichen Immobilienbereich sahen wiederum 50 Prozent stagnierende und 24 Prozent sinkende NPL-Bestände.

Von der erwarteten Erhöhung der NPL-Quoten werden laut Umfrage alle Assetklassen betroffen sein, besonders stark allerdings die Kredite an Konsumenten sowie an kleine und mittlere Unternehmen (KMU). Bei diesen Gruppen sind die Ersparnisse aus der Vergangenheit vielfach gesunken, gleichzeitig stellt sich bei den Unternehmen die Frage, inwieweit sie den steigenden Kostendruck weitergeben können. Für die KMU wird erwartet, dass die NPL-Quote Ende des Jahres bei drei Prozent liegen und bis Ende 2023 auf 3,7 Prozent zulegen wird. Bei den Konsumentenkrediten rechnen die befragten Risikomanager:innen im Mittel mit einem Anstieg von 2,6 auf 3,4 Prozent. Für den Bereich gewerbliche Immobilien lauten die Schätzungen 2,8 Prozent für Ende 2022 und 3,1 Prozent für Ende 2023.

Insgesamt schneiden mit Immobilien besicherte Kredite besser ab. Dennoch wird auch im wohnwirtschaftlichen Bereich ein Anstieg der NPL-Quoten von 1,4 auf 1,9 Prozent erwartet. „Ich gehe im wohnwirtschaftlichen Sektor ebenfalls von einer stagnierenden Preisentwicklung aus, denn die Zeiten, wo wir quasi monatliche Anpassungen in der Preisbewertung vornehmen müssen, dürften Geschichte sein“, sagte BKS-Beirat Markus Thanner vom Bankhaus Bauer. „Bei gewerblichen Immobilien dürfte die Preisentwicklung im starken Maße von der Lage in Verbindung mit möglichen Verwendungsfähigkeiten der Immobilie abhängen.“

Letztendlich überwiegt jedoch in der Finanzindustrie die Unsicherheit über die tatsächlichen Auswirkungen dieses toxischen Mixes der Risikofaktoren. Die Warnmechanismen sind voll aktiviert und das Risikomonitoring hat Hochkonjunktur. „Risikovorsorge und eingeschränkte Kreditvergabe sind die prophylaktischen Maßnahmen, die aktuell mehr und mehr durchgeführt werden“, so Jürgen Sonder, Präsident der BKS.

Zur Methodik
Gefragt wird nach der tatsächlichen Entwicklung innerhalb der vergangenen zwölf Monate und der erwarteten Entwicklung in den kommenden zwölf Monaten. Dabei werden die NPL-Bestände, die Kaufpreise, die Nutzung von Verkäufen und Outsourcings, die regulatorischen Rahmenbedingungen und die Entwicklungen auf den Immobilienmärkten unter die Lupe genommen. Das NPL-Barometer ist auf einer Skala von -1 bis +1 abgetragen. Werte im negativen Bereich der Skala sprechen für einen weniger aktiven NPL-Markt, während ein positiver Wert für höhere NPL-Bestände, mehr Transaktionstätigkeit und geringere Verkaufspreise spricht.

Das aktuelle NPL-Barometer kann hier heruntergeladen werden.